Quantencomputer: Bossfight der Digitalisierung

Quantencomputer werden in der öffentlichen Finanzwelt gern als Endgegner des Krypto-Markts inszeniert. In verschiedensten Plattformen, auf Konferenzen und in den dunklen Ecken von „Crypto-Twitter“ kursieren Horrorszenarien: „Sobald die Quantenmaschinen da sind, brechen Bitcoin, Ethereum und der ganze Zoo aus Memecoins vom Typ FluffyDogeInuRocketChain innerhalb weniger Momente zusammen!“

Wobei man beobachten kann, dass dies zum aktuellen Zeitpunkt sogar ganz ohne Quantuencomputer der Fall ist 😉 #CryptoZyklus

Warum auch immer sich dieses Endzeitnarrativ so hartnäckig hält – vermutlich, weil es ums Geld geht – ist die Aufmerksamkeit enorm. Der Kryptomarkt lebt schließlich von Hypes. Und wenn der KI-Hype gerade Pause macht, springt der Quanten-Hype zuverlässig ein.

IMHO: Wenn Quantencomputer wirklich eine Gefahr für Kryptowährungen sind, dann haben wir ein viel größeres Problem

Hier der Kern meiner These, bevor wir uns in technische Details stürzen:

Sollte ein Quantencomputer tatsächlich in der Lage sein, moderne Krypto­graphie zu brechen und Kryptowährungen existenziell zu bedrohen, dann haben wir längst ganz andere Probleme als den Wert von Bitcoin.

Denn die Algorithmen, die Blockchains schützen, sind dieselben, die so ziemlich alles im Internet absichern. Und mit alles meine ich wirklich alles:

  • Online-Banking
  • VPNs
  • TLS/HTTPS im gesamten Web
  • SSH-Zugänge
  • Zertifikate, Signaturen, Software-Updates
  • Kommunikationssysteme von Regierungen, Unternehmen und (hoffentlich) Geheimdiensten

Wenn ein Quantencomputer ausreichend stabil und groß ist, um ECDSA oder RSA effizient zu brechen, dann ist nicht nur die Blockchain am Ende. Dann ist die digitale Welt am Ende.

Doch bis wir überhaupt an den Punkt kommen, an dem ein vollwertiger Quantencomputer reale Kryptosysteme bedroht, wird Verschlüsselung vermutlich ohnehin in ein Katz-und-Maus-Spiel übergehen – ganz ähnlich wie wir es historisch bereits bei Computer­viren erlebt haben.

Damals wie heute gilt > Ein neuer Virus taucht auf > die Security-Teams aktualisieren ihre Pattern > der Virus entwickelt sich weiter > Pattern-Update hinterher > repeat until coffee break.

Mit Quantencomputing könnte sich dieses Muster wiederholen – nur auf einem viel höheren technologischen Niveau. Während Forschungseinrichtungen und Standardisierungsgremien wie NIST bereits fleißig an Post-Quantum-Kryptografie (PQC) arbeiten, werden Angreifer (Vermutlich keine Script-Kiddies) versuchen, jede neue Schutzmaßnahme auszutesten, zu umgehen oder kreativ auszunutzen.

Warum das so ist – oder: Was passiert, wenn der Quantenboss die Party betritt

Aktuell beruhen die meisten kryptografischen Standards auf Problemen, die für klassische Computer unlösbar sind – beispielsweise die Faktorisierung großer Zahlen oder das Berechnen diskreter Logarithmen. Ein ausreichend großer Quantencomputer, der Shor’s Algorithmus zuverlässig ausführt, könnte diese Probleme jedoch in dramatisch kürzerer Zeit lösen.

Die technische Kurzfassung:

  • Shor’s Algorithmus kann RSA, ECC und damit die übliche Public-Key-Kryptografie brechen.
    Quelle: Shor, P. W. (1997), „Polynomial-Time Algorithms for Prime Factorization and Discrete Logarithms on a Quantum Computer“.
  • Die meisten Blockchains basieren auf genau diesen Methoden (z. B. ECDSA für Bitcoin und Ethereum).
    Quelle: Bitcoin Developer Reference – Cryptography Overview.
  • Dasselbe gilt jedoch auch für fast alle modernen Sicherheitsprotokolle im Web.
    Quelle: NIST, „Post-Quantum Cryptography Standardization Project“.

Die humorvolle Langfassung:

Wenn ein reifer Quantencomputer einsatzbereit ist, dann:

  • kann ein Angreifer nicht nur dein Crypto-Wallet plündern,
  • sondern auch gleich deinem Chef eine gefälschte signierte E-Mail schicken („Bin im Sabbatical, bitte Vertretung einstellen“),
  • deinen VPN-Tunnel wie eine Ravioli aufbrechen,
  • Online-Banking zu Offline-Bankraub machen
  • und das alles, bevor du deinen ersten Kaffee im Homeoffice angesetzt hast.

Kurz: Wenn Krypto-Coins sterben, stirbt vorher schon die gesamte Digitalwirtschaft.
Und dann ist der Bitcoin-Kurs wirklich unser kleinstes Problem.

Aber mal ehrlich: Wir sind noch lange nicht an diesem Punkt

Bevor Panik ausbricht, hier ein persönlicher Einschub – und ich formuliere ihn bewusst klar:

Ich maße mir nicht an, Quantencomputing nur im Ansatz zu verstehen.

Ehrlich: Schon die Tatsache, dass Qubits gleichzeitig 0 und 0,5 und „vielleicht doch 1“ sein können, bringt mein Gehirn an seine thermischen Grenzen.

Was allerdings klar ist:
Ein Quantencomputer, der Shor’s Algorithmus zuverlässig auf echten Problemen ausführt, müsste stabil genug sein, um nicht sofort von folgenden Dingen aus dem Konzept gebracht zu werden:

  • Wärme
  • Magnetfelder
  • Vibrationen
  • kosmische Strahlung
  • ein vorbeilaufender Praktikant
  • ein schlechter Witz im Labor

Viele Teams arbeiten daran – von Google über IBM bis zu Forschungsinstituten weltweit. Aber wir sind noch im Stadium „hochinteressante Experimente“ und nicht einmal ansatzweise bei „Plug & Play: Quantenrechner jetzt im MediaMarkt“.

Denn derzeit gehen Qubits bei der kleinsten Störung schneller kaputt Modem bei Gewitter.

Wenn es soweit ist, müssen wir Stöcke sammeln gehen

Sollte jedoch eines Tages ein Quantencomputer stabil, skalierbar und fehlerkorrigiert genug sein, um reale kryptografische Verfahren zu brechen, dann … ja, dann sollten wir wahrscheinlich unsere Yps-Hefte vom Dachboden holen, in Micky Maus-Magazinen nachgucken, wie man Feuer macht und generell in den „Analog-Mode“ zurückkehren.

Denn digitale Sicherheit wäre zu diesem Zeitpunkt so zuverlässig wie ein Passwort auf einem Post-it am Monitor.


Dies wird nicht der letzte Artikel dieses Jahres sein –
es sei denn, jemand stellt der Menschheit spontan einen vollständig ausgereiften, universal einsatzbereiten Quantencomputer vor.

In diesem eher unwahrscheinlichen Fall:
War schön mit euch. Viel Spaß beim Stöcker sammeln.

In allen anderen Fällen:
Habt einen großartigen Start in die Weihnachtszeit. Fahrt einen Gang runter, überspringt ruhig mal die nächste Iteration und vertagt die wirklich nervigen Themen ins kommende Jahr.

Euer IT-Feed Team 🎄

Leon Gawinski

System Engineer Softwarebereich Microsoft

Empfohlene Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"